Modelle und Formen der Prävention

 

Modelle und Formen der Prävention. Best-Practice-Beispiele

Danny Krull M.A., TU Chemnitz

Veröffentlichungstitel: Beziehungsgestaltung und Professionalität in der Pfadfinderbewegung

Tagungsband 2016, Seiten 211-236

Abstract:

Die in den 2000er Jahren ins Rollen gekommene Aufarbeitung der Missbrauchshistorie von Kirche, Jugendbewegung  und Reformpädagogik hat den Weg geebnet für eine veränderte Praxis. Vielerorts sind Verlautbarungen der Positionierung und Selbstverpflichtung entstanden, die eine organisationale Auseinandersetzung mit dem Thema dokumentieren. Unklar war und ist jedoch, ob dadurch tatsächlich eine veränderte Praxis entstanden ist. Falls dem so ist, muss weiter gefragt werden, wie sie aussieht. Pädagogik wird von, für und mit Menschen betrieben. Ihr Fundament ist die folgenreiche Beziehung dieser Menschen in einem unabweisbaren Herrschaftsverhältnis.

Manchmal scheint der Pädagoge mehr oder weniger bewusst seine eigene Zielgruppe zu sein. Das trifft insbesondere auf die herausragenden Reformpädagogen und Jugendführer zu. Ein Blick auf ihre Biografien, ihre Denk- und Handlungsmuster gut rekonstruierbar aus eigenen Publikationen und Zeitzeugenberichten zeigt in aller Regel narzisstoide Charaktere an der Grenze zum Pathologischen und zuweilen auch jenseits davon. Deren sexuelle Präferenzen stehen dabei nicht in der Kritik, sie sind nicht wählbar (ggf. allerdings für eine Arbeit mit Heranwachsenden nicht kompatibel und daher  eine  Ausschlusskriterium). Hochproblematisch sind vielmehr jene Persönlichkeitsstrukturen, die eine von Selbstkritik weitgehend  ungehinderte Ausnutzung von Schutzbefohlenen  zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse ermöglichen und befördern. Es ist daher sinnvoll, Pädagogen (der Begriff schlit natürlich auch alle Ehrenamtlichen ein) in dieser Hinsicht zu überprüfen, anstatt nur zwanghaft nach sexuellen Auffälligkeiten zu fahnden.

Des Weiteren ist Pädagogik vor allem eine tigkeit. Das heißt, die Manifestation eines pädagogischen Konzepts im Sinne von gezielten Handlungen von Pädagogen innerhalb der pädagogischen Beziehung ist beobachtbar und kann reguliert werden. Organisationale Selbstverpflichtungen wie sie seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle an der Oden- waldschule und in kirchlichen Bildungsanstalten zuhauf publiziert wurden – sind bedeutungslos, wenn sie in der pädagogischen Beziehung nicht umgesetzt werden. Das kann an mangelndem Problembewusstsein liegen oder aber an mangelnder Kompetenz. In beiden llen sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die pädagogische Praxis zu verändern. Darin eingeschlossen sind Bemühungen, eine offene Kommunikationskultur in allen pädagogischen Kontexten zu etablieren.

Wir benötigen also über symptomatische Diagnoseinstrumente hinaus (die es inzwischen in Form von Checklisten und Richtlinien zur Missbrauchsprävention durchaus gibt) systemische und gleichzeitig praxisfähige Indikatoren für eine angemessene pädagogische Beziehung. Dies schlit ich wiederhole mich – den genauen  Blick auf die Persönlichkeit des Pädagogen ein und die Etablierung eines praxisfähigen Verhaltenskodex', der vor Missbrauch schützt, die pädagogische  Arbeit aber möglichst nicht beeinträchtigt. Hierher gehören bspw. Fragen nach allgemeinen Berührungen, Privatsphäre, rperpflege, Gesundheitsvorsorge, Gruppengrößen u. a. Das Ziel aller Bemühungen und Betrachtungen ist die Gestaltung einer wirksamen pädagogischen Beziehung in Pfadfindergruppen, die Nähe ermöglicht, Missbrauch ausschlit und Pädagogen nicht unter Generalverdacht geraten lässt.

Der Workshop soll als Forum des Austausches darüber dienen, wie weit die verbandlichen Reaktionen (wenn es welche gibt)  zur  Missbrauchsproblematik sich auf die pfadfinderischen Überzeugungen und Handlungsweisen im Gruppenalltag auswirken. Die Teilnehmer sind dazu eingeladen, sich mit ihrem  Wissen und ihrer Erfahrung aus zurückliegender, aktueller oder geplanter Praxis des Pfadfindens einzubringen. Die folgenden Anhaltspunkte können dabei als Strukturierungshilfen für den Dialog dienen:

 

Motiv

Aus welchem Grund wurden jeweils welche Maßnahmen erwogen oder durchgeführt? Wurde z. B. eine Selbstverpflichtungserklärung eher zur Wahrung der verbandlichen Reputation  oder zur tatsächlichen Veränderung  von Kommunikations-, Gemeinschafts- und Tätigkeitsformen aufgelegt? Natürlich sind Mischformen möglich.

Wirksamkeit

Haben in den Pfadfinderverbänden aufgrund von Reaktionen auf die Missbrauchsskandale tatsächlich Veränderungen der pädagogischen Praxis in irgendeiner Hinsicht stattgefunden? Wenn ja, in welcher? Werden diese Veränderungen als wirksam hinsichtlich ihres Zweckes  angesehen? Wovon  hängt die Wirksamkeit ab? Wenn nicht, sollten sie beibehalten werden oder gefährden sie eher das pfadfinderische Selbstverständnis und die konkrete Arbeit der Bünde? Sind die Arbeitshilfen ausreichend und praxistauglich?

Dauerhaftigkeit

Werden veränderte Praxen nach wie vor angewandt bzw. wie lange nach ihrer Einführung wurden sie beibehalten? Gibt es ggf. Vermutungen oder klare Ursachen r eine Erosion veränderter Praxen? Wurden Gegenmaßnahmen ergriffen (welche) und waren oder sind sie wirksam?

Bewertung

Wurden oder werden Maßnahmenkataloge als Reaktionen auf die Missbrauchsthematik in ihrer Wirkung überprüft, evtl. nachgebessert? Wenn ja, wie lief so ein Prozess ab und wie wird die Wirkung eingeschätzt? Dabei sind u. a. Kommunikations-, Beteiligungs-, Administrations- und Regierungsformen relevant.

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